Die Auferstehung des Dreiachsers BayPost nach Blatt 196 Wagenverzeichnis KBayStsB von 1913 begann wie so viele Restaurierungen. Der Wagen stammt aus der Werkstatt von Herrn Besenhart und ist mittlerweile um die 50 Jahre alt. Ich hatte den Wagen eines Freundes vor einem Jahr schon mal auf der Werkbank, um ihm bessere Fahreigenschaften beizubringen.
Quelle: Wagenverzeichnis KbStsB von 1913
Jetzt wollte ich eigentlich "nur" die Fensterrahmen aus Karton gegen geätzte Messing-Fensterrahmen ersetzen und zeitgemäße Fenstergitter einbauen....
Dann habe ich bei der Demontage festgestellt, dass fast die komplette Bremsanlage aus Weißmetall total verbogen war und an einer Achse komplett fehlte. Da muss es wohl einen Unfall gegeben haben. Darüber waren - was bei einem Wagen dieses Alters normal ist - einige Lötungen aufgegangen. Neben einigen Griffstangenhaltern und einem der oberen Wagenkasten-Querträger waren die Trittbretter vorher schon teilweise lose und auch die stirnseitigen Leitern und Plattformen wackelten bereits. Auch das äußere Finish hatte im Laufe der Jahre gelitten und die Beschriftung war nicht korrekt für einen bayrischen Postwagen. Die gutgemeinten Reparaturen mit Superkleber hatten auch nicht lange gehalten. Der Aufwand für eine Restaurierung geht über einige Tage nicht hinaus und ich habe ohnehin bereits einige andere Wagen in der Warteschleife vor der Lackiererei, da passt der auch noch rein. Also werde ich mich wohl an die Arbeit machen.
So kam es, wie es kommen musste: Das Teil ist mir in die Strahlkabine "gefallen". Eine Komplettrestaurierung lohnt sich bei diesem Wagen weil er sehr selten ist und die Ausführung von Wagenkasten und Chassis abgesehen von den Weißmetall-Teilen immer noch sehen lassen kann.
Der Wagen war jetzt bereit für die notwendigen Um- und Anbauten einer Vollrestaurierung. Der Arbeitsplan sah dann wie folgt aus:
- Nachlöten aller Verbindungen außer dem Wagenkasten selbst und dem Chassis während der Arbeiten
- Einbringen eines 2x2 mm Messing Winkelprofils an der oberen Wagenkastenkante zur Stabilisierung der dünnen Seitenwände
- Einlöten der beiden Querverbindungen oben
- Ersetzen aller Handgriffe und Griffstangen und teilweise der Griffstangenhalter
- Ersetzen der Weißmetall-Pufferbohlen durch solche aus Messing und Verlängerung der Längsträger
- Ersetzen der meisten Teile der Bremsanlage durch Messingguss-Teile oder Selbstbauten (Bremsdreiecke)
- Ersetzen der Weißmetall-Achslager durch bayrische aus Messingguss
- Neulackierung von Wagenkasten und Chassis
- Ersetzen der Karton-Fensterrahmen durch Messingrahmen mit feinen Gittern
- Beschriftung mit authentischer Betriebsnummer, Standort und korrekten Gewichts- und Längenangaben
Los ging's mit dem Wagenkasten. Erst mal die Winkelprofile abgelängt und in den Wagenkasten eingelötet. Das bringt dem Wagenkasten erst mal die notwendige Stabilität. Die Querverbinder sind jetzt flächig mit den Winkelprofilen verlötet und nicht mehr stumpf wie im Original.
Als nächstes kamen dann die ganzen Griffstangen, Handgriffe, die Schlussscheibenhalter sowie die Plattformen auf den Stirnwänden an die Reihe. Hier das Ergebnis:
Damit ist der Wagenkasten soweit fertiggestellt, jetzt geht es ans Chassis. Der Wagen ist sehr lang und hat drei Achsen. Damit ist er für recht enge Radien nicht geeignet. Das dürfte auch der Grund für die Entgleisungen sein. Ich hatte die Radaufhängung vor einem Jahr bereits überholt, aber der Wagen ist immer noch zu weich im Fahrwerk und die Achslagerführungen sind zu lang. Wenn man den Wagen hochhebt, fallen die Achslager aus der Stiftführung der Blattfedern. Deshalb habe ich jetzt die Führungen um 2 mm gekürzt.
Die Weißmetall-Pufferbohlen sind auch nicht mehr ansehnlich, eine ist von einem früheren Reparaturversuch angeschmolzen. Daher habe ich mich dazu entschieden, die Pufferbohlen durch solche aus Messing zu ersetzen. Die Befestigung der Puffer mit einem M3 Bolzen möchte ich allerdings beibehalten.
Die neuen Pufferbohlen wurden mit Messing-Luftschläuchen und einer flachen Zughakenführung bestückt. Damit die Puffer weiterverwendet werden können, habe ich M3 Schrauben abgedreht, dass man sie von hinten in die Pufferbohle in die 3,5 mm Bohrungen einführen und festlöten kann.
Da die Weißmetall-Pufferbohlen dicker sind als die aus Messing musste ich die Längsträger auf beiden Seiten mit Füllstücken verlängern. Das war eine ganz schöne Pfriemelei, aber nicht zu vermeiden. Die Längsträgerprofile wären sonst in der Luft gestanden, außerdem ist der ganze Rahmen wesentlich stabiler wenn die Längsträger bis zur Pufferbohle reichen und damit verlötet sind. Hier meine Vorgehensweise zum Anschuhen der Längsträger im Bild:
Die Verlängerung der inneren Träger war ein ganz schönes Geduldsspiel, weil die Teile nur zwischen 2 und 3 mm lang waren, aber auch das ist recht gut gelungen. Nach der Lackierung wird man das fast nicht mehr sehen. Hier je eine Ansicht von oben und unten:
Die Pufferbohlen sind nun wieder auf der Höhe der Zeit. Das nebenstehende Bild zeigt die Gegenüberstellung vorher - nachher! Von der Detaillierung her waren die Besenhart-Pufferbohlen besonders für die damalige Zeit sicher der Hammer, aber mit den Messing-Bohlen ist das Fahrwerk einfach stabiler und voll lötbar. Das kommt dann dem Anlöten der Trittbretter zugute, eine der Halterungen war gefährlich nahe an der Weißmetall-Pufferbohle, da ist die Gefahr dass die Bohle "davonläuft" doch sehr groß gewesen. Ankleben mit Superkleber ist bei vorherigen Reparaturen schon fehlgeschlagen und hat nicht lange gehalten.
Das nächste Bild zeigt den Wagen im aktuellen Zustand. Weiter geht es dann mit dem Verlegen der Luftleitungen, dem Aufbau der Bremsanlage und dem Anlöten der langen Trittbretter.
Weiter geht's mit der Westinghouse-Bremse. Der Bremszylinder des Originals ist recht detailreich, daher habe ich den nur aufbereitet. Das Gestänge ist neu und an den Enden der Bremshebel ist je eine durchgehende 0,8 mm Bohrung eingebracht, damit die beiden Bremsstangen richtig gelagert sind.
Für die Bremsdreiecke habe ich aus Stabilitätsgründen einen Eigenbau aus 1 mm Messingrohr und Messingdraht gebaut. Das ist stabiler als die Gußteile.
Ich ersetze auch die Bremsklötze mit den Bremshängern aus Weißmetall durch Gussteile von Werner Scholze. Auch die Bremswaage wird ausgetauscht und ein Festpunkt eingebaut.
Die Bilder unten zeigen die fertige Bremsanlage und auch die bereits angebrachten Druckluft-Leitungen.
Jetzt fehlen noch die Trittbretter. Am Original sind sehr dünne Trittbretthalter verbaut, die sich schon mehrfach gelöst haben oder gebrochen sind. Ich habe deshalb beim Neuaufbau die Trittbretthalter von Oliver Suhl (Nr. 1927) verwendet, die sind wesentlich stabiler und die Füße haben eine größere Fläche als die dünnen Drähte. Damit ist auch das Chassis bereit zum Lackieren. Hier noch einige Bilder des fertigen Fahrwerks. Der Wagen wird besser als neu, oder?
Jetzt ging's dann ans Lackieren. Der Wagen soll in Epoche II im Einsatz sein, darum habe ich folgende Farbzusammenstellung gewählt:
- Chassis: Leitern am Wagenkasten und Griffstangen: RAL 9005 Tiefschwarz
- Wagenkasten: RAL 6008 Braungrün
- Bremslufthahn-Griffe, Löseventil-Ringe: RAL 3001 Signalrot
- Dach: Das Dach wurde nicht lackiert, die Ausführung der Lackierung war noch in Ordnung
- Innenraum: RAL 1001 Beige
Die Lackierung des Chassis war schnell abgeschlossen. Hier ein Bild des bereits montierten Fahrgestells.
Die Federpakete aus Phosphorbronzestreifen, die Schaken, die Achslager und die aus einem Winkelprofil 1,5x1,5 mm gefertigten Achshalter wurden wie bei den meisten meiner Wagen brüniert. Die Achshalter sind demontierbar und deshalb mit M0,6 Schrauben und Muttern an den Achslagerführungen befestigt.
Bei der Montage des Chassis wollte ich auch die Mittelachse stabiler im Rahmen laufen lassen. Der Wagen wird auf der Anlage meines Freundes Radien von 1500 mm haben, bisher hat es bei den Dreiachsern nicht so funktioniert den Radsatz einfach frei hin- und herpendeln zu lassen. Aus diesem Grund habe ich dieses Mal auf jeder Seite eine leichte Feder eingebaut, damit der Radsatz nach Kurven immer wieder in die Mittellage gezwungen wird. Der Pfeil weist auf die Feder hin. Bei dieser Methode muss folgendes beachtet werden:
- Die Feder darf nur gerade so lang ist, dass die Mittellage wieder erreicht wird.
- Die Feder darf nicht zu fest sein und muss auf das Gewicht des Wagens abgestimmt werden
- Die zusammengedrückte Feder sollte in Endstellung nicht zu dick sein, weil das den Schwenkbereich einengt.
- Der mittlere Radsatz muss generell von der Federung her gut abgestimmt sein. Die Räder müssen gut auf den Schienen aufliegen und die Achse trotzdem Bewegungsspielraum nach oben haben. Hier müssen ggf. die Federpakete noch mal nachgebogen werden.
Eine Probefahrt auf der Anlagen meines Freundes zeigte, dass die Feder gut dimensioniert ist und der Wagen einwandfrei läuft ohne zu entgleisen.
Jetzt war der Wagenkasten dran, hierbei hat sich folgende Reihenfolge der Lackierung bewährt:
- Schritt 1: Lackierung des Innenraums ohne Abdeckung der Fenster (der Farbnebel, der ggf. auch die Außenseiten benetzt, wirkt sich später nicht aus)
- Schritt 2: Abdecken der Fenster und der Öffnung des Innenraums
- Schritt 3: Lackierung der Außenseiten, anschließend Entfernung der Maskierung, sobald die Farbe staubtrocken ist
- Schritt 4: Lackierung der Griffstangen, Leitern, Schlussscheibenhalter (Schwarz) und der Türgriffe (Aluminium matt) mit dem Pinsel
Hier musste ich die Umgebung der Leitern auf der Stirnwand noch mal maskieren, damit der Wagenkasten an den Rändern Braungrün bleibt. Folgende Bilder zeigen das Ergebnis, allerdings bereits mit eingeklebten geätzten Fensterrahmen in Beige.
Hinweis in eigener Sache: Sollte jemand Interesse an den geätzten Fensterrahmen haben, bitte ich um Nachricht per Email. Ich hätte noch ein paar Satz übrig.
Als nächstes stand dann die Verglasung der Fenster an. Die ursprüngliche Folie war nicht mehr zu gebrauchen, daher habe ich die 13 Fensterscheiben aus 0,5 mm Plexiglas geschnitten und mit dem Juwelier-Kleber HYPO-CEMENT auf die Fensterrahmen geklebt. Das Toilettenfenster erhielt dann noch ein Stück weiß glänzendes Foto-Druckerpapier statt der Gitterstäbe.
TIPP: Die Kanüle des Klebers ist zum sauberen Einkleben von Fenstern zu kurz. Ich habe ein Messingröhrchen mit 1,5 mm Außendurchmesser mit einem 0,9 mm Bohrer etwa 5 mm weit aufgebohrt und dann auf die Kanüle gesteckt. Jetzt kommt man überall problemlos hin und die Klebestellen sind sauber und ohne überflüssige Tropfen.
Ein Postwagen hat auch noch vergitterte Fenster. Hier habe ich für den CPostL Gitter mit Stäben von 0,3 mm Dicke ätzen lassen. Die habe ich auch für diese Fenster wieder verwendet. Wer Interesse hat, seinen Wagen auch so aufzuhübschen, kann sich auch für diese Teile bei mir per Email melden. Hier das Ergebnis der Aktion:
Nach Abschluss der Lackier- und Montageaktivitäten zeigt sich der Wagen dann so:
Jetzt fehlt eigentlich nur noch die Beschriftung. Die habe ich wie immer als Aufreiber von Christine Simrock anfertigen lassen. Nur die Wagennummer mit Gattungsbezeichnung am Wagenkasten habe ich als Decal aufgebracht:
Nun erstrahlt der Postwagen wieder in neuem Glanz und ist technisch ebenfalls wieder auf der Höhe! Was jetzt noch fehlte, war der Schutz der Beschriftung durch eine Schicht Klarlack. Beim Chassis war das ja kein Problem mit meiner kleinen zielgenauen Airbrush, jedoch hatte ich in der Euphorie dieses Mal die Fenster schon eingebaut.
Wenn ich jetzt den Wagenkasten farblos lackiere, dann sind die Fenster matt!!! Jetzt war eine fixe Lösung gefragt und ich erinnerte mich an die unzähligen Workshops und Präsentationen in der Arbeit. Da gab's doch einen Sprühkleber, mit dem man das Flipchart einsprühte und dann ganz normale Zettel ohne Kleber dranheften und auch wieder abnehmen konnte, wenn's nicht passte. Ich hatte mir den Kleber privat auch besorgt, um Fotos in Fotoalben zu fixieren. Die Spraydose musste doch noch irgendwo sein..... Eine Viertelstunde später war's soweit, ich hatte die Dose CREATIVE MOUNT gefunden. Jetzt habe ich für jedes Fenster incl. Fensterrahmen eine passende Maske aus Papier geschnitten, mit dem Kleber dünn besprüht und damit die Fenster abgedeckt:
Die Fenster und der Innenraum waren nun abgedeckt, aber wie erreiche ich jetzt, dass der Wagenkasten fettfrei ist? Das Ansprühen direkt aus der Bremsenreiniger-Sprühdose (Waschbenzin) erzeugt unter Umständen Trocknungsspuren. Ich habe dann Bremsenreiniger in das Lackglas meiner SATA gefüllt und einen leichten Nebel über dem Wagen verteilt. Jetzt konnte die Endlackierung mit Klarlack vorgenommen werden. Es ist immer wieder ein Erlebnis, die Oberfläche nach dem Lackieren zu betrachten. Der Klarlack deckt auch evtl. vorhandene leichte Sprühnebel aus der braungrünen Decklackierung ab und zeigt ein gleichmäßiges Bild. Damit war der Wagen dann endgültig fertig und konnte auf der Anlage meines Freundes zusammen mit einem passenden Zugfahrzeug bewundert werden:
Das war's mal wieder aus dem RAW Lochhausen. Ich hoffe, der Baubericht hat euch Spaß gemacht und vielleicht war ja auch die eine oder andere Anregung für euch dabei!
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Rolf-Peter (Sonntag, 17 Dezember 2023)
Hallo Robert,
wie gewohnt ein toller Umbau-Reparaturbericht!
Für welchen Mindestradius wird das Fahrgestell vorbereitet?
Wird die mittlere Achse seitlich verschiebbar werden?
Beste Grüße
Rolf-Peter
Robert (Montag, 18 Dezember 2023 08:33)
Hallo Rolf-Peter,
ja, die mittlere Achse muss seitenverschiebbar sein, ich versuche den Wagen für 120 cm Radius zu trimmen. aufgrund der Länge des Wagens wird darunter nichts gehen. Das erfordert aber besser (strammer) geführte Achsen aussen und eine austarierte Druckkraft der mittleren Achse aufs Gleis und wahrscheinlich auch eine leichte Rückstellkraft. Ich habe da schon eine Idee, es bleibt spannend....
Viele Grüße, Robert