· 

Einbringen von Bohrungen in Drehteile 90 Grad zur Drehachse

24. Februar 2020, Robert Peter

Hallo zusammen,
da ich den neuen Themenbereich angeregt hatte, möchte ich euch eine einfache Möglichkeit zeigen, wie man in ein rotationssymmetrisches Teil eine Bohrung mittig 90 Grad einbringen kann. Es hat ja nicht jeder eine Fräsmaschine.
Ein einfaches Beispiel dafür ist z.B. das Einbringen von 0,5 mm Querbohrungen in einen Zaunpfosten der nur 1mm Durchmesser hat oder - wie bei meinem Glaskasten - eine 1,2mm Bohrung in ein Teil mit 1,9mm Durchmesser, nämlich bei meinen selbstgebauten Dampfventilen. Ich habe mal eine Zeichnung erstellt:

 

Hier - leider etwas unscharf - das fertige Ventil

 

Man braucht hierzu nur:
- ein Stück Metall (Messing, Stahl...) in Rechteckform, das so ca. 8-10 mm dick und ausreichend lang (Minimum 50 mm) ist
- die beiden Bohrer, in diesem Fall mit 1,2 und 1,5 mm Durchmesser
- Meßschieber, Anreißnadel und Körner
- eine Säulenbohrmaschine oder einen Bohrständer für die Handbohrmaschine
Die Zeichnung für die kleine Vorrichtung:

 

Das Wichtigste ist das exakte Anreißen, Körnen und das Bohren der beiden Bohrungen. Von dem hängt der Erfolg des Ganzen ab. Aber das sollte man hinkriegen.
Beim Bohren sind folgende Dinge zu beachten:

Das Werkstück muss fixiert werden, sonst kann es beim Anbohren in Längsrichtung ausweichen oder sich drehen. Das kann man mit einer Parallelzwinge oder auch im Bohrschraubstock tun.

Es muss genug Führung für den Bohrer vorhanden sein, sonst leiert die Führung für die einzubringende Bohrung schnell aus. Aus meiner Erfahrung sollten das mindestens 5 mm sein (siehe Foto der Vorrichtung unten)

Die Tiefe der Bohrung (also ganz durch oder nur teilweise) muss über den Tiefenanschlag der Bohrmaschine eingestellt werden.
Die "echte" Vorrichtung sieht bei mir so aus:

 

Hier sieht man meinen ersten Versuch mit der zu geringen Führung (rot gekennzeichnet)
Der zweite Versuch war erfolgreich (grün gekennzeichnet).
Wie ihr seht, habe ich das Stück Messing bereits mehrmals für solche Zwecke verwendet bis zu Durchmessern von 10 mm.

Da noch Fragen waren, hier eine genauere Erläuterung wie es funktioniert:

Anhand des Bohrens von Geländerpfosten das Beispiel: Ein Geländerpfosten ist etwa 1,00 m lang, das sind ca. 22 mm in Spur0. Mein Geländerpfosten hat einen Durchmesser von 1 mm, so wie in dieser Skizze und zwei Bohrungen für einen 0,5 mm Messingdraht:

 

Das Maß "X" ist die Tiefe, die ist individuell und hängt vom Untergrund auf der Anlage ab, auf der der Pfosten später stehen soll Ich habe nun in meinen Messing-Vorrichtungsblock so angerissen:

 

Auf der Schmalseite wird nun eine Bohrung 1mm Durchmesser mit 22 mm Tiefe eingebracht. Das ist die Gesamtlänge des Pfostens bis zum "Boden"
Dann werden die anderen beiden Bohrungen auf der Oberseite in der gleichen Flucht mit 0,5 mm gebohrt. Diese Bohrungen dienen als Führung für die Bohrungen durch den Geländerpfosten.
Die 1mm Bohrung habe ich so gebohrt:

 

Da in dem Fall die Bohrung 1mm sehr lange ist, empfehle ich während des Bohrens das Werkstück alle paar Millimeter wieder ca. 30 Grad zu drehen, damit die Bohrung wirklich gerade wird.

Die beiden 0,5mm Bohrungen so:

 

Damit wäre die Vorrichtung fertig. Jetzt ein 1mm Rundmessing in die 22mm tiefe Bohrung stecken und festhalten. Ich habe das Rundmessing ca. 5mm außerhalb der Vorrichtung abgezwickt, dann bleibt genug übrig, um den Pfosten auf der Anlage "ins Gelände zu stechen".
Dann die beiden 0,5 mm Bohrungen durch das Rundmessing durchbohren - fertig!

 

Das Ergebnis sieht dann so aus:

 

...und so mit Geländer:

 

Ich hoffe, das Ganze ist nun klarer, auch wenn das Pfostenbeispiel etwas extrem ist. Es zeigt aber trotzdem, was auf einfache Weise machbar ist. Ich werde mich bemühen, das nächste Mal weniger akademisch zu beschreiben.

 

Noch ein paar Tipps zum geraden Bohren:

Ich habe mich mit dem Pfosten schon aus dem Fenster gelehnt, weil das der Gipfel des machbaren mit einer stinknormalen Baumarkt-Ständerbohrmaschine ist. Wolfgang hat schon recht, dass ein adäquater Maschinenpark besser ist. Den hab ich auch, aber ich wollte ja was zeigen, das auch mit einfachen Mitteln funktioniert.

·         Das Drehen des Werkstücks war eine der ersten Lektionen, die mir mein damaliger Meister während meiner Werkzeugmacher- Lehre beigebracht hat.

·         Absolute Sauberkeit am Bohrtisch, Späne müssen immer wieder mit einem Pinsel weggebürstet werden.

·         Vor dem erneuten Auflegen des Werkstücks mit der Hand noch mal drüberwischen, um auch kleinste Krümel zu entfernen.

·         Nach jeder Bohrung die Auflagefläche des Werkstücks mit einem Ölstein abziehen und damit den Bohrgrat entfernen. Andernfalls liegt das Werkstück nicht eben auf und die nächste Bohrung wird schief

·         Beim Bohren von kleinen Durchmessern immer wieder hochfahren, die Späne ausleeren und mit einem Pinsel von der Bohrstelle entfernen.

·         So kleine Bohrer sollten mit ca 1000 Umdrehungen laufen. Ich habe nicht umsonst einen Messingblock als Vorrichtung.

·         Zeit lassen, so was in Hektik zu machen geht schief!

Wenn man so verfährt, dann geht das auch mit der 22mm Tiefbohrung mit einem 1mm Bohrer. Versuche es einfach mal. Ich schwöre, dass ich das nicht an der Fräsmaschine gebohrt habe!

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Rolf-Peter (Dienstag, 30 Mai 2023 16:21)

    Hallo Robert,
    hast Du mit einem speziell für Messing angeschliffenen HSS Bohrer gebohrt?
    Benutzt Du kein Schmiermittel zum Bohren in Messing?
    Viele MS-Drähte sind nicht maßhaltig. Wie verfährst Du bei einem dünneren Durchmesser als 0,5 mm?
    Das gleiche gilt auch für die Bohrer.
    Gibt es Firmen, die präzise Drähte und Bohrer liefern?
    Ich habe Bohrer aus einem Billigsortiment. Hier liegen die größten Abweichungen vor.
    Wie verhält es sich mit Bohrern mit verstärktem Schaft zb. von Komet Gebr. Brasseler oder ähnlichen Firmen aus dem zahntechnischen Bereich.
    Vielen Dank für diese vielen Bauhinweise. Ich habe schon viel von Dir gelernt!!
    Verwendest Du bei Widerstandslöten eine runde oder eine spitz zulaufende Sonde? Ich habe bisher meine Lötspitzen immer mit einem Bleistiftspitzer nachgeschnitten.
    Beste Grüße aus aachen
    Rolf-Peter

  • #2

    Robert (Samstag, 10 Juni 2023 08:36)

    Hallo Rolf-Peter,
    vielen Dank für Deinen Kommentar, hier die Beantwortung Deiner Fragen:
    Meistens mache ich Bohrungen in Messing nur in Blechen bis zu 1 mm, deshalb nehme ich hier kein Schmiermittel. Sollte es doch mal erforderlich sein, dann wäre WD40 oder Petroleum meine erste Wahl. WD40 riecht allerdings besser ;-) .
    Auf absolut maßhaltige Drähte lege ich keinen so großen Wert, weil sie beim Festlöten auch bei Abweichungen fest sitzen werden und man den Unterschied in wenigen Hundertsteln Millimeter eh nicht sieht. Zur Sicherheit habe ich immer eine Mikrometerschraube am Platz liegen, um mal nachmessen zu können. Bezugsquellen für mich sind Hassler, Knupfer oder die bekannten Modellbau-Lieferanten. Interessant wird es dann für Rohre, die ineinander passen sollen, aber auch die gibt's bei Knupfer, sogar als Vierkant-Rohre.
    Zu den Bohrern: Für meine Aktivitäten reichen normalerweise die Billigsortiment-Bohrer aus. Meistens haben die eine Minustoleranz von bis zu 0,05 mm. Soll es mal eine genauere oder tiefere Bohrung sein, dann nehme ich Bohrer von Knupfer oder Fohrmann. Die sind sehr gut geschliffen, maßhaltig und scharf. Die habe ich separat gelagert ab 0,3 mm. Es ist natürlich etwas anderes ob ich Bohrungen für eine Getriebewelle einbringe oder nur eine Bohrung für's Festlöten eines Gußteils brauche.
    Die Bohrer mit verstärktem Schaft müssen meiner Meinung nach nicht sein. Ein Vorteil ist, dass der Schaft einen einheitlichen Durchmesser hat und man dadurch nicht so lang zum Werkzeugwechsel braucht. Das ist umständlich, wenn man mehrere verschiedene Bohrungen machen muss. Ansonsten sehe ich keine Vorteile für diese Bohrer. Die sind auch teurer als die anderen.
    Für meinen Widerstandslöter habe ich Graphitelektroden mit 4 und 5 mm Durchmesser. Ich mache das so wie Du und spitze die Elektroden mit einem normalen Bleistiftspitzer bei Bedarf an. Gerade mit der 4 mm Elektrode kommt man so fast überall hin. Es war nicht einfach, diese Elektroden zu beschaffen. Meistens sind die Mengen für Modellbauer wie uns zu groß, die da bestellt werden müssen. Ich weiß nicht mehr genau, wo ich die bestellt habe. Man muss nach "Fugenhobler" suchen und einen Lieferanten aussuchen, der auch Mengen von 10 Stück oder auch weniger verkauft.
    Ich hoffe, ich habe Deine Fragen zu Deiner Zufriedenheit beantwortet und freue mich dass ich Dir mit meinen Vorgehensweisen das eine oder andere Mal Anregung geben konnte.
    Viele Grüße, Robert